CHABLIS, DER ARCHETYP DES MINERALISCHEN WEINS

Mit dem noch relativ jungen Begriff Mineralität beschreiben Weinfachleute und Journalisten eine bestimmte Familie von Aromen, Mundgefühlen und Texturen.


Dieser Begriff tauchte in den 1980er Jahren in der Presse und in Weinführern auf. Ab dem 18. Jahrhundert wurden die Weine aus Chablis mit dem Begriff Feuerstein (auf Französisch „pierre à fusil“) beschrieben, wie Sandrine Audegond in ihrem Buch 'Chablis, l'expression cristalline d'un terroir' erklärt. Die folgenden Texte sind aus diesem Buch entnommen.

Mineralität

Das Wort Mineralität, das der Beschreibung einiger trockener Weißweine, allen voran Chablis, dient, hat einen Vorläufer: den Begriff Feuerstein („pierre à fusil“), der bereits im 18. Jahrhundert auftauchte. Von dieser Zeit an werden Feuersteinaromen und Chablis-Weine häufig miteinander assoziiert. 1836 führte André Jullien dies in seinem Sommelier-Handbuch (Manuel du Sommelier) vollständig auf Terroir-Effekte zurück: „Unter den verschiedenen Geschmäckern des Terroirs gibt es einige, die man als angenehm empfindet, wenn sie nicht zu stark ausgeprägt sind, wie den des Feuersteins in den Weinen aus Chablis.“

 

Was genau versteht man unter „Feuerstein“? Zur damaligen Zeit musste man einen Feuersteinsplitter gegen Metall schlagen, um einen Funken zu erzeugen, der das Pulver einer Waffe in Brand setzte. Es ist daher denkbar, dass es sich bei dem Geruch um heißen oder geschlagenen Stein oder sogar um Rauch handelte.

Woher stammt die Mineralität?


Die Weinrebe braucht Mineralstoffe, um sich zu ernähren. Dabei handelt es sich um wasserlösliche Elemente, die über die Wurzeln aufgenommen werden. Geologen weisen jedoch darauf hin: Geologische Mineralien, die gemeinhin als Gestein bezeichnet werden, sollten nicht mit nährstoffhaltigen Mineralstoffen in Form von Ionen verwechselt werden, wie sie beispielsweise auf einer Mineralwasserflasche aufgeführt werden. Jeder Wein enthält natürlich mineralische Verbindungen, aber sie sind in Weinen in so geringer Konzentration vorhanden, dass ein menschlicher Gaumen sie nicht erkennen kann, sofern sie überhaupt einen Geschmack besitzen sollten. Der Ursprung der Mineralität, wie wir sie in der Nase oder im Mund empfinden, ist ein anderer.

 

Anfang der 2000er Jahre forschte man nach aromatischen Molekülen. Professor Denis Dubourdieu identifizierte daraufhin ein Benzolmethanthiol-Molekül, das insbesondere in Weißweinen Gerüche von Rauch, Feuerstein bzw. Silex erzeugt. Erst kürzlich haben chemische Studien gezeigt, dass Umami, der halb süße, halb salzige Geschmack, den man in Fleisch, Käse, reifen Tomaten oder Sojasauce findet, von Glutaminsäure stammt. Diese ist in der Weinrebe und im Wein vorhanden. Die Rebsorte Chardonnay enthält Glutaminsäure. Dies ist also eine mögliche Spur, aber es gibt in dieser Hinsicht noch Forschungsbedarf.

 

Kunstwerk von Samy Belades, „Le Corps et l'Esprit“, Preisträger des Wettbewerbs When Pure Chablis Meets Art 2017.

WIE BESCHREIBT MAN MINERALITÄT?

WIE BESCHREIBT MAN MINERALITÄT?

Die für Chablis typische Mineralität kann zugleich in der Nase und am Gaumen empfunden werden. Sie bezieht sich auf die Textur und auf den Duft. Ihre Beschreibungen sind sehr vielfältig und lassen sich in drei Kategorien einteilen: marin, erdig, rauchig.

 

Ein erster wichtiger Schritt ist der Unterschied zwischen Mineralität und Säure. Säure sorgt für Speichelfluss; die meisten Umschreibungen für Mineralität beziehen sich jedoch auf etwas Trockenes, wie einen salzigen oder kreidigen Charakter. Allerdings scheinen sich Säure und Mineralität in den Weinen aufeinander zu beziehen, so als ob die Säure den mineralischen Charakter unterstreichen würde.


Man kann auch die Salzigkeit als eine Form von Mineralität bezeichnen; es ist eine Art Kitzeln der Geschmackspapillen, das an das Gefühl erinnert, welches durch trockenes Salz hervorgerufen wird. Diese Salzigkeit wird jedoch kaum erklärt. Einige Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass Mineralsalze kaum Einfluss auf den Geschmack haben, während andere das Gegenteil behaupten.

drei Kategorien zur Beschreibung von Mineralität

MARIN

MARIN

- Jod
- Muschelfleisch
- Frische Auster
- Gischt

ERDIG

ERDIG

- Kreide, weißer Kalkstein
- Feuerstein, Silex
- Schießpulver
- Nasser Stein
- Regen auf warmem Boden

RAUCHIG

RAUCHIG

- Schwefel
- Angezündetes Streichholz
- Geräuchert
- Lapsang Souchong Tee
- Geräuchertes Holz

Fotoreihe von Yves Lobet, Preisträger des Wettbewerbs When Pure Chablis Meets Art 2013.

DIE ERFAHRUNG DER WINZER

Chardonnay wird überall angebaut, ohne dabei jedoch den gleichen mineralischen Charakter wie in Chablis zu erzielen. 

 

Befragt man die Winzer aus Chablis dazu, sind sie sich einig: Ihrer Meinung nach resultiert die typische Mineralität der Weine der Appellation vom kimmeridgischen Kalkstein her, genauer gesagt vom Zusammenspiel zwischen Boden und Chardonnay. Chardonnay besitzt bekanntlich die Eigenschaft, sich sehr gut in seine Umgebung einzufügen und diese widerzuspiegeln. Chardonnay ist eine typische Terroir-Rebsorte. So konstatiert man häufig mineralische Noten, die so unterschiedlich sind, wie die Ausprägungen der Climats.


Laut den Winzern treten die mineralischen Noten während der Weinbereitung auf. Die Zeitpunkte variieren jedoch je nach den angewandten Methoden. Önologische Forschungsarbeiten zeigen insbesondere, dass die malolaktische Gärung eine wichtige Rolle für den Geschmack des Weins spielt, dadurch, dass sie bestimmte Reaktionen hervorruft. Sie führen dies auf den Einfluss der feinen Hefen zurück, die während des Ausbaus vorhanden sind. Zu diesem Zeitpunkt kann sich der Wein allmählich „mineralisieren“. Das Phänomen lässt sich bei Weinen beobachten, unabhängig davon, ob sie in Tanks oder Holzfässern ausgebaut werden. Die Verwendung eines mäßigen Anteils an neuem Holz wird übrigens oft als Möglichkeit gesehen, um den mineralischen Ausdruck zu fördern.

 

Die Mineralität könnte auch mit der Reduktion durch die Bildung von Schwefelverbindungen zusammenhängen. Neuere Studien von Wendy Veronica Parr und Jordi Ballester zeigen, dass Mineralität auf jeden Fall stärker wahrgenommen wird, wenn mehr Schwefelverbindungen im Wein vorhanden sind. In diesem Punkt stimmen sie mit der Aussage von so manchem Kellermeister aus Chablis überein.


Eine Idee scheint sich herauszukristallisieren: Das Terroir von Chablis macht sich durch die Weinbereitung und vor allem die Reifung auf der Feinhefe bemerkbar, aber das Geheimnis ist noch lange nicht gelüftet. Die Magie der Chablis-Weine wirkt fort...


Quelle dieser Texte: 'Chablis, l'expression cristalline d'un terroir' von Sandrine Audegond

DIE ERFAHRUNG DER WINZER